Zentrum für Demokratie und Vielfalt

Ein Platz für alle

Zdv

Der 19. Februar 2020 ist der dunkelste Tag für Hanau in Friedenszeiten. Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kenan Kurtović, Vili-Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov wurden in den Abendstunden bei dem rassistischen Anschlag ermordet.
„Die Last des Anschlags wird immer schwer auf unserer Stadt liegen. Unterkriegen lassen wir uns als Stadtgesellschaft aber nicht“, sagt Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky. „Wir arbeiten seither konzentriert, mutig und entschlossen auf den unterschiedlichsten Ebenen am Miteinander statt Nebeneinander in unserer BrüderGrimm-Stadt.“ Ein Meilenstein, um Respekt, Toleranz und Demokratie zu fördern, ist das „Zentrum für Demokratie und Vielfalt“. Es wurde bereits sieben Monate nach dem Anschlag von der Hanauer Stadtpolitik auf den Weg gebracht. Andreas Jäger, Leiter des Amtes für Demokratie, Vielfalt und Sport: „Hanau steht zusammen – nach dieser Maxime verfahren Hanauer Bürgerinnen und Bürger seit Jahrhunderten und heute umso mehr. In Hanau ist kein Platz für Rassismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit.“
Man kann ein schreckliches Ereignis zur Kenntnis nehmen, seine Bestürzung äußern und dann wieder zum Alltag zurückkehren. Man kann aber auch das Ereignis aufarbeiten, Lehren ziehen und aktiv dafür kämpfen, dass sich das Geschehen nicht wiederholt. Die Stadt Hanau hat sich klar für den zweiten Weg entschieden. Der 19. Februar soll nicht nur fester Bestandteil der städtischen Erinnerungskultur werden, sondern soll auch Auslöser für einen noch entschiedeneren Kampf gegen Hass und Intoleranz werden.

Für das friedliche Miteinander

Sichtbares Zeichen für diese Absicht ist die Einrichtung des „Zentrums für Demokratie und Vielfalt“ – einer Institution, die es in dieser Form in der Region noch nicht gegeben hat. Das Zentrum soll einen aktiven Beitrag für ein friedliches, respektvolles und tolerantes Miteinander sowie die Verteidigung der pluralistischen und rechtsstaatlichen Demokratie leisten. „Das geschieht nicht immer unter dem Brennglas der Öffentlichkeit. Es ist kein Sprint und kein Marathon, sondern eine Jahrhundertaufgabe“, so Kaminsky. Am Kanaltorplatz in der Innenstadt unweit des ersten Tatorts am Heumarkt wurde eine Immobilie gefunden, in die das Zentrum einziehen wird. „Es soll ein Ort für alle entstehen, an den jeder gerne kommt, an dem man etwas lernen und Neues erleben kann“, erklärt Andreas Jäger. Er leitet seit dem 1. Januar 2021 die neu eingerichtete Fachstelle Vielfalt, die neben anderen Aufgaben auch das Zentrum für Demokratie und Vielfalt konzipiert. Andreas Jäger betreute zuvor die neun Familien der Anschlagsopfer als Opferbeauftragter von städtischer Seite eng. Eine der wichtigsten Aufgaben der Fachstelle Vielfalt ist das Vernetzen der zahlreichen Initiativen, die sich mit Themen wie Integration, Toleranz und Demokratie beschäftigen. Auch jene Aktionsgruppen, die sich in Folge der Ereignisse des 19. Februar gegründet haben, sind dabei.

Zentrum schon jetzt Anlaufstelle
Ihren vorläufigen Platz hat die Fachstelle Vielfalt in einem Gebäude der sanierten Hessen-Homburg-Kaserne gefunden. Hier haben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Programme „WIR – Vielfalt und Teilhabe“, der DEXT-Fachstelle des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und des Ausländerbeirates Räume bezogen. Angegliedert sind zudem die LGBTI*Q-Beauftragte und die Behindertenbeauftragte der Stadt Hanau.
Jäger betont: „Die Angebote in unserem Haus werden sehr gut angenommen. Nahezu täglich haben wir Vertreterinnen und Vertreter von Organisationen, Vereinen, Verbänden und weiteren Institutionen, Ehrenamtliche und andere Interessierte bei uns im Haus, die sich über die verschiedenen Hilfs- und Fördermöglichen innerhalb der Programme informieren und die auch annehmen.“
Die räumliche Zusammenführung staatlicher Projekte mit zivilgesellschaftlichen Initiativen soll eine Plattform für die Förderung demokratischer Bildungsarbeit schaffen und Synergieeffekte zwischen den verschiedenen Akteuren erzeugen.

3,4 Millionen Euro Förderung: „Nationales Projekt des Städtebaus“
Am 19. Februar 2023, dem dritten Jahrestag des Attentats, übergibt Bundesinnenministerin Nancy Faeser an Oberbürgermeister Claus Kaminsky den Zuwendungsbescheid über 3,4 Millionen Euro für die Aufnahme in das Bundesförderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus “ für das „Zentrum für Demokratie und Vielfalt“. Damit ist das Ende des Antragsverfahrens erreicht. Die Hanauer Stadtverordnetenversammlung hatte bereits am 30. Januar 2023 einstimmig beschlossen, den Eigenanteil in Höhe von 1,7 Millionen bereitzustellen, die förderfähigen Gesamtausgaben betragen 5,1 Millionen Euro. „Wir begrüßen das Engagement der Stadt Hanau ausdrücklich. Es ist wichtig, um gegen Hass, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen“, so Faeser. „Das Gift des Rassismus hat eine solch tiefe Verwurzelung, dass wir uns dem Kampf dagegen dauerhaft widmen müssen“, sagt Kaminsky. Das Zentrum soll am Kanaltorplatz, der zwischen beiden Tatorten vom 19. Februar 2020 liegt, entstehen.
Eröffnet werden soll es im Jahr 2026. Bis dahin laufen Planungen zur partizipativen Erstellung eines Nutzungskonzeptes. Das federführende Amt für Demokratie, Vielfalt und Sport plant Politik, Zivilgesellschaft und Bürgerschaft in einem breit angelegten Bürgerbeteiligungsprozess einzubeziehen. Dieser Prozess soll intensiv kommunikativ begleitet werden und so für die entstehende Einrichtung werben.

Baustart Anfang 2025
Während die Planungen für die inhaltliche Gestaltung des Zentrums im Hintergrund laufen, geht es auch bei den baulichen Umsetzungen mit großen Schritten voran: Die Stadt Hanau hatte das ehemalige Commerzbank-Gebäude bereits im Jahr 2021 für 2,5 Millionen Euro erworben und nun einen Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben. Unter 14 Bewerbern hat sich das Frankfurter Architekturbüro Meurer durchgesetzt. Anfang September 2023 stellte Architekt Thomas Meurer die Planungen im Hanauer Bauausschuss vor. Diese sehen vor, dass die Fassade (siehe Animation des Architekturbüros Meurer) „zurückhaltend und einladend“ sein soll, der Eingangsbereich soll vergrößert werden und die größeren, bodentiefen Fenster sollen Einblicke ins Haus gewähren. Während das Erdgeschoss Raum für Veranstaltungen und Seminare bieten wird und flexibel gestaltet sein wird, können im Obergeschoss Workshops stattfinden. Das Amt für Demokratie, Vielfalt und Sport kann im Geschoss darüber Büros beziehen. Das Dachgeschoss soll angehoben werden und Zugang zu begrünten Outdoor-Terrassen bieten. Auf das Dach soll eine Photovoltaikanlage gebaut werden. Die Nutzfläche für das Gebäude wird mit 1.215 Quadratmetern angegeben. Auf der Rückseite des Gebäudes in der Herrnstraße soll aus dem derzeit als Parkplatz genutzten Hof ein begrünter Rückzugsort werden. Der Umbau soll Anfang 2025 beginnen und bis Ende 2026 abgeschlossen sein, denn dann laufen die Fördermittel aus. Auch der Platz vor dem Zentrum für Demokratie und Vielfalt soll umgestaltet werden.

Zum Haus der Demokratie

Zdv Drbieri

„Mit dem ‚Zentrum für Demokratie und Vielfalt‘ schaffen wir einen offenen Raum, der den Dialog fördert, die Begegnung ermöglicht und Zusammenarbeit erleichtert. Hier können wir gemeinsam an einer demokratischen und vielfältigen Zukunft arbeiten – an unserer Stadt bauen“, begrüßte Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri Bürgerinnen und Bürger im Gebäude am Kanaltorplatz. Zum „Tag der Städtebauförderung“ hatte das Amt für Sozialen Zusammenhalt und Sport ein umfangreiches Programm organisiert.  

„Aus diesem Gebäude, in dem einst Konten eröffnet und Kreditverträge geschlossen wurden, wird ein Haus der Begegnung werden. Unabhängig von Generationen, sozialen Schichten und Herkünften werden sich hier Menschen treffen, miteinander reden, diskutieren. Es wird Veranstaltungen, Projekte und Workshops, Ausstellungen und Vorträge geben. Das Zentrum ist ein Haus von Hanau, für Hanau und wegen Hanau“, so Bürgermeister Dr. Bieri.

Weiterlesen in der Pressemitteilung

Ein nationales Projekt

Mit 75 Millionen Euro aus Bundesmitteln werden 18 „Vordenker“-Projekte in Deutschland gefördert. Aus 79 Bewerbungen wurde auch das „Zentrum für Demokratie und Vielfalt“ ausgewählt und ist nun ein „Nationales Projekt des Städtebaus 2022“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser übergab Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky am 19. Februar 2023 im Elisabeth-Selbert-Saal im Neustädter Rathaus am Marktplatz den Zuwendungsbescheid über 3,4 Millionen Euro. „Wir begrüßen das Engagement der Stadt Hanau ausdrücklich. Es ist wichtig, um gegen Hass, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen“, sagte Bundesinnenministern Nancy Faeser bei der Übergabe, mit dem das Antragsverfahren abgeschlossen ist. Die Hanauer Stadtverordnetenversammlung hatte am 30. Januar 2023 einstimmig beschlossen, den Eigenanteil in Höhe von 1,7 Millionen Euro bereitzustellen, die förderfähigen Gesamtausgaben betragen 5,1 Millionen Euro. „Niemals vergessen wir in Hanau den 19. Februar 2020. Die Verteidigung unserer Demokratie nehmen wir hier in die Hand, geben Menschen und Ideen Raum und Räume, um sich um die wahren Werte, um Zusammenhalt und unsere friedliche Zukunft aktiv einzusetzen. Über die Förderung freue ich mich für meine Heimatstadt sehr“, so Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky.

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Ein halbes Jahr nach den rassistischen Anschlägen vom 19. Februar 2020 hatten der Magistrat der Stadt Hanau und die Stadtverordneten­versammlung beschlossen, das Zentrum für Vielfalt und Demokratie (ZDV) in Hanau zu gründen. Seit dem 1. Februar 2021 führen die ersten Fachstellen ihre Arbeit an einem gemeinsamen Ort fort, in einem städtischen Gebäude am Hessen-Homburg-Platz 6 im Stadtteil Lamboy. Bisher waren sie über die ganze Stadt verteilt. Die gemeinsamen Räume sind eine Übergangslösung, bis passende Räume für das Zentrum für Demokratie und Vielfalt realisiert sind.
 


„Nicht erst die Corona-Pandemie zeigte uns, wie wichtig es ist, unsere Städte resilient und widerstandsfähig zu machen. Dazu gehören städtebaulich und baukulturell bedeutsame Ensembles und Gebäude, aber auch neue soziale Infrastrukturen und öffentliche Räume als Orte der Begegnung, des gemeinsamen Erlebens und des Zusammenseins. Gerade bei den Nationalen Projekten des Städtebaus werden Flächen und Bestandsgebäude so aufgewertet, dass in und mit ihnen neues gesellschaftliches Zusammenleben entstehen kann und neue Impulse für die Stadtgesellschaft gesetzt werden“, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hatte das Programm als investives Programm ins Leben gerufen. Seit 2014 wurden insgesamt 211 Projekte aufgenommen und mit Bundesmitteln in Höhe von rund 670 Millionen Euro unterstützt. Eine Jury aus Fachjurorinnen und -juroren sowie Mitgliedern des Deutschen Bundestags, unter Vorsitz des Parlamentarischen Staatssekretärs Sören Bartol, hatte die aktuelle Projektauswahl getroffen.
Andreas Jäger, Leiter des Amtes für Demokratie, Vielfalt und Sport, ordnet ein: „Das Zentrum für Demokratie und Vielfalt soll ein politisches Zeichen für die Demokratie, des Zusammenhalts und gegen gesellschaftliche Spaltung sein. Vor allem soll es Platz bieten für Austausch, Beratung, Bildung, Dienstleistung und Vernetzung. Miteinander zu reden ist besser als übereinander.“ Das Zentrum wird am Kanaltorplatz Ecke Herrnstraße entstehen, zurzeit ist dort noch eine Corona-Impfstelle untergebracht. „Durch die Förderung durch den Bund haben wir jetzt auch konzeptionell neue Möglichkeiten. Deswegen werden wir den angefangenen Prozess neu aufstellen. Ein breiter Beteiligungsprozess ist dafür entscheidend. Es wird sicher eine große Herausforderung, alle Interessierten Gruppen, Institutionen und Bürgerinnen und Bürger einzubinden und zu beteiligen, ist aber für die Qualität und die Akzeptanz des Hauses alternativlos.“ Und Jäger weiter: „Auf dem Weg begleiten uns viele Partner sehr eng – an dieser Stelle bedanke ich mich ausdrücklich für die Zusammenarbeit mit der ,Projektstadt’ der Nassauischen Heimstätte, die uns bei dem Förderantrag exzellent unterstützt hat.“

4 Fragen an Andreas Jäger

Andreas Jäger im Gespräch über das ZDV

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