Ein Platz für alle
Man kann ein schreckliches Ereignis zur Kenntnis nehmen, seine Bestürzung äußern und dann wieder zum Alltag zurückkehren. Man kann aber auch das Ereignis aufarbeiten, Lehren ziehen und aktiv dafür kämpfen, dass sich das Geschehen nicht wiederholt. Die Stadt Hanau hat sich klar für den zweiten Weg entschieden. Der 19. Februar soll nicht nur fester Bestandteil der städtischen Erinnerungskultur werden, sondern soll auch Auslöser für einen noch entschlosseneren Kampf gegen Hass und Intoleranz werden.
Sichtbares Zeichen für diese Absicht ist die Einrichtung des „Zentrums für Demokratie und Vielfalt“ – einer Institution, die es in dieser Form in der Region noch nicht gegeben hat. Das Zentrum soll einen aktiven Beitrag für ein friedliches, respektvolles und tolerantes Miteinander sowie die Verteidigung der pluralistischen und rechtsstaatlichen Demokratie leisten. Aktuell wird nach geeigneten Räumlichkeiten für das neue Zentrum gesucht, fest steht jedoch, dass viel Platz beispielsweise auch für Veranstaltungen, Ausstellungen und ein kleines Museum entstehen soll. „Es soll ein Ort für alle entstehen, an den jeder gerne kommt, an dem man etwas lernen und Neues erleben kann“, erklärt Andreas Jäger. Er leitet seit dem 1. Januar 2021 die neu eingerichtete Fachstelle Vielfalt, die neben anderen Aufgaben auch das Zentrum für Demokratie und Vielfalt konzipiert. Andreas Jäger hat in den vergangenen Monaten die neun Familien der Anschlagsopfer als Opferbeauftragter von städtischer Seite eng betreut hat, zuvor war er für die Koordination der Flüchtlingshilfe zuständig.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Fachstelle Vielfalt zu Beginn: Das Vernetzen der zahlreichen Initiativen, die sich seit längerem mit Themen wie Integration, Toleranz und Demokratie beschäftigen. Auch jene Aktionsgruppen, die sich in Folge der Ereignisse des 19. Februar gegründet haben, werden ins Boot geholt. Ihren vorläufigen Platz hat die Fachstelle Vielfalt in einem Gebäude der sanierten Hessen-Homburg-Kaserne gefunden. Hier haben bereits die Mitarbeiter/innen der Programme „WIR – Vielfalt und Teilhabe“, der DEXT-Fachstelle des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und des Ausländerbeirates Räume bezogen. Sobald der neue Standort für das „Zentrum für Demokratie und Vielfalt“ feststeht, zieht auch die Fachstelle Vielfalt dorthin um.
Die Politik und verschiedene Bürgerorganisationen haben dem „Zentrum für Demokratie und Vielfalt“ zahlreiche Anregungen und Aktionsvorschläge mit auf den Weg gegeben. Diese reichen von Themen wie Demokratiebildung, Integration und Inklusion, Flüchtlingsarbeit und Sprachunterricht, über Initiativen zur Akzeptanz anderer Lebensweisen sowie die Organisation internationaler Begegnungen bis zu Konzepten politischer Bildung und Erinnerungsarbeit angesichts des 19. Februar. Außerdem eine wichtige Aufgabe der Fachstelle und des Zentrums ist weiterhin die Betreuung der Hinterbliebenen der Opfer des Anschlags am 19. Februar 2020. Das neue Zentrum ist nicht nur sichtbarer Ausdruck des Bekenntnisses „Hanau steht zusammen“, sondern betont mit „Hanau rückt zusammen“ die Notwendigkeit, für ein friedliches Miteinander einzutreten. Es ist das Zeichen einer Stadt, die bereit ist, dem Hass, der Intoleranz und der Spaltung der Gesellschaft gemeinsam die Stirn zu bieten.